Der drit­te Frühling

DritterFruehling03„Wie alt wird eigent­lich so ein Kaninchen?“

Die­se Fra­ge hat sich sicher jeder Kanin­chen­hal­ter schon ein­mal gestellt, bevor er sich ent­schloss, fort­an als Karot­ten­rei­cher und Stall­per­so­nal für die drol­li­gen Lang­oh­ren anzutreten.

Die Lebens­er­war­tung liegt bei 8 bis 10 Jah­ren hat­te man mir damals gesagt ‑opti­mis­tisch geschätzt. Auch bei guter Pfle­ge kommt es aber auf Grund ver­schie­de­ner Erkran­kun­gen vor, dass man­che Tie­re lei­der wesent­lich jün­ger ver­ster­ben und ihren Part­ner allei­ne zurück lassen.

Was macht man in die­sem Fall? Ganz klar: man soll­te unbe­dingt wie­der einen Part­ner für sein Kanin­chen suchen. In Tier­hei­men und pri­va­ten Tier­schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen fin­det man häu­fig ein Tier im pas­sen­den Alter.

Aber was macht man, wenn das „Min­dest­halt­bar­keits­da­tum“ des hin­ter­blie­be­nen Tie­res bereits über­schrit­ten ist?

In die­ser Lage befand ich mich vor eini­gen Wochen selbst. Mein Ernstl war schon gute zehn Jah­re alt, als er sei­ne Part­ne­rin ver­lo­ren hat – oben­drein war er zu die­sem Zeit­punkt sel­ber krank.

Abwar­ten war mein ers­ter Gedan­ke. Ver­mut­lich hat er selbst ohne­hin nur noch ein paar Wochen zu leben. Doch Ernstl erhol­te sich von sei­ner Krank­heit. Wei­ter abwar­ten habe ich mir gesagt. In dem hohen Alter ist eine Ver­ge­sell­schaf­tung doch viel zu anstren­gend. Zudem hängt man, wenn man immer wie­der ein Tier dazu holt, in einer Art „Dau­er­schlei­fe“ der Kanin­chen­hal­tung fest.

Aber dann habe ich Ernstl ange­schaut, der sich gera­de lie­be­voll an sei­nen Stoff­ha­sen gelehnt hat, den ich ihm aus schlech­tem Gewis­sen ins Gehe­ge gestellt hat­te und eines wur­de mir klar: Wor­auf war­te ich eigent­lich? Oder anders gefragt: Soll Ernstl ein­fach neben die­sem Stoff­tier sit­zen und auf den Tod war­ten? Klar habe ich mich seit er allei­ne ist noch mehr mit ihm befasst, aber nichts auf der Welt ersetzt einen Part­ner, das wur­de mir in die­sem Moment klar.

Die Suche nach einer Kanin­chen­rent­ne­rin gestal­te­te sich als etwas schwie­rig, da selbst ein sie­ben­jäh­ri­ges Weib­chen im Ver­gleich zu Ernstl noch ein jun­ger Hüp­fer war.

Doch Dank Andrea Kraus von den Heu­wus­lern fand ich über eine ande­re Kanin­chen­ver­mitt­lung schließ­lich Mad­die, eine elf­jäh­ri­ge Kanin­chen­da­me. Auch sie hat­te ihren Part­ner ver­lo­ren und war nun auf der Suche nach einer neu­en Lie­be. Die Tier­lie­be ihrer Besit­ze­rin zeig­te sich dar­in, dass sie bereit war, sich sogar von Mad­die zu tren­nen, damit sie ihren Lebens­abend in Gesell­schaft ver­brin­gen kann.

Also war­fen wir all unse­re Beden­ken über Bord und wag­ten eine Vergesellschaftung.

Und wis­sen Sie was?

Es war Lie­be auf den ers­ten Blick. Nach nicht ein­mal 24 Stun­den haben die bei­den schon mit­ein­an­der geku­schelt und suchen immer die Nähe des anderen.

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Die­se Bil­der spre­chen für sich und ich habe fast schlech­tes Gewis­sen, dass ich Ernstl die­sen drit­ten Früh­ling bei­na­he ver­währt hätte.

Und wenn nun einer der bei­den mor­gen sei­ne Augen für immer schlie­ßen soll­te – ich wäre sehr trau­rig, aber den­noch glück­lich, dass sie bis zuletzt einen Part­ner an ihrer Sei­te hatten.

Natür­lich läuft eine Ver­ge­sell­schaf­tung nicht immer so glatt und gera­de bei so alten Tie­ren muss man abwä­gen, wie man ihnen am ehes­ten gerecht wird, aber viel­leicht dient die­se Geschich­te als posi­ti­ves Bei­spiel. Und wer sei­nem Kanin­chen bis­her kei­nen Part­ner mehr dazu geholt hat, weil er mit der Hal­tung auf­hö­ren möch­te, wenn das eige­ne Tier „mal nicht mehr ist“, der sei an Mad­dies Vor­be­sit­ze­rin erin­nert, die im Inter­es­se ihres Tie­res gehan­delt und gewis­sen­haft ein neu­es Zuhau­se für sie gesucht hat und der auch 200 km Anrei­se nicht zu weit war – vie­len Dank hierfür!

Zwar bin ich selbst nun wie­der mit­ten drin in die­ser „Dau­er­schlei­fe“, aber wenn ich die bei­den so sehe, möch­te ich ein berühm­tes Zitat etwas abwandeln:

Ein Leben ohne Kanin­chen ist mög­lich, aber sinnlos!

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Das Heu­wus­ler-Mün­chen-Team bedankt sich bei unse­rer ehe­ma­li­gen Team-Kol­le­gin, Big­gi Jon­cker, die die­sen wun­der­ba­ren Text ver­fasst hat. 
Er spricht bestimmt nicht nur uns, son­dern vie­len Kanin­chen-Besit­zern aus der See­le und wir wün­schen uns, dass der Drit­te Früh­ling noch für vie­le, vie­le Kanin­chen in Erfül­lung gehen wird.