Am 10. Juli 2016 erhielten wir einen Hilferuf vom Tierheim Rosenheim mit der Bitte um Unterstützung. Die Nachbarin eines Anwohners aus Rott am Inn kontaktierte das Tierheim. Diese verpflegte dessen Meerschweinchen, ist aber am Ende ihrer Kräfte. Der Nachbar war sehr schwer erkrankt und befand sich im Krankenhaus. Es war die Rede von ca. 80 Tieren, die auf dem Grundstück unkontrolliert herumliefen. Eine Masse an Tieren, die man alleine nicht bewältigt bekommt. Für uns war es eine Selbstverständlichkeit, hier schnellstens zu helfen.
Allerdings spitzte sich die Lage zu, denn vor Ort traf alle Beteiligten der Schlag. Es wurden mehr als 200 Tiere geschätzt, denn auch im Haus befanden sich unzählige kleine Wusler. Mit einem großen Transporter machten sich Lissi und Helga am Nachmittag auf den Weg, um die Mitarbeiter des Tierheims vor Ort bei dem Einfangen und vor allen Dingen SUCHEN der Tiere zu unterstützen.
Es waren überall Schweinchen; im Haus (die Tür stand offen, aus rechtlichen Gründen durfte das Haus aber nicht betreten werden), im Garten, im Gerümpel. Im "Garten" nur Müll, alte Autos und zwischendrin total versiffte Käfige/Ställe alt, zerfallen, verfault und verdreckt.
In einem dieser Käfige saßen Kaninchen. Helga hat sie erst mal gefüttert, sie sind regelrecht über das Grünfutter hergefallen.
Die Tiere waren allesamt total ausgehungert und durstig. Es liefen Babies umher, die keiner Mutter zugeordnet werden konnten, vollkommen vermilbte Tiere, von Räude zerfressen, fast keine Haare mehr, Zerbissene, Todkranke, Hochträchtige. Das Schlimste aber: sehr viele Tote, Kadaver und abgebissene Köpfe (frisst der Marder nicht), die in Kisten eingesammelt werden musten.
Außerdem gab es dort noch einen Schuppen. Der Dreck stand hier mindestens 50 cm hoch. Aus diesem Schuppen haben Helga und Lissi ein Kaninchen und zwei Meerschweinchen regelrecht aus dem Dreck ausgegraben.
Kurz gesagt:
Ein Bild des Grauens!
An diesem Tag zeigte das Thermometer über 30°! Für alle Beteiligten war es nicht nur psychisch sondern auch körperlich eine Herausforderung!
Mit vereinten Kräften konnten insgesamt 120 Meerschweinchen und 1 Kaninchen gefangen werden. Davon wurden 49 Meerschweinchen und das Kaninchen von unserem Verein übernommen. Helgas Transporter war am späten Nachmittag zum Bersten voll. Zuvor bedurfte es einem enormen Organisationsaufwand mit vielen Telefonaten, bis wir wussten, wie viele Tiere wir überhaupt auf unseren Pflegestellen unterbringen können. Die restlichen Meerschweinchen, welche zunächst im Tierheim Rosenheim Unterschlupf und die notwendige medizinische Versorgung gefunden haben, wurden am Mittwoch, 13.07.2016 durch den Deutschen Tierschutzbund, Landesverband Bayern, übernommen. Der Dachverband kümmert sich in solchen Härtefällen von Animal Horading sofort um die adäquate Unterbringung und Versorgung.
Ein Mädchen, Lissi taufte sie Fortuna, bekam noch während der Fahrt 4 Babies. Alle gesund und munter – Gott sei Dank! .
Das Kaninchen, Peggy fand bei Helga Unterschlupf, doch Peggys Glück dauerte nicht lange an. Peggy's traurige Geschichte können sie hier nachlesen: Peggy
18 Meerschweinchen wurden übergangsweise auf unsere Pflegestelle München-Süd zu Claudia gebracht. Sie schaffte extra Platz in einem ehemaligen Kaninchen-Gehege. Diese Tiere wurden Anfang der kommenden Woche alle gecheckt und dann auf Pflegestellen verteilt.
27 Tiere wurden zu uns nach München-Untermenzing gebracht. Hier standen Punkt 20 Uhr schon alle Pflegestellen bereit, um die Tiere in Empfang zu nehmen. Zunächst wurden alle Meeris fotografiert, gewogen und gegen Haarlinge behandelt.
4 weitere trächtige Mädchen, fanden bei unserer Tierärztin Unterschupf.
Danach wurde überlegt, welche Gruppe auf welchen Pflegeplatz ziehen kann. Da wir aber 16 Babies hatten, die zum Teil nicht älter als 1 oder 2 Tage waren (Gewicht 65 bis 100 Gramm) aber nur 2 Mamas mit Milch, gestaltete sich das Aufteilen als sehr schwierig.
Nun zu den Tieren, die sich in unserer Obhut befanden;
Dass alle in nicht einwandfreiem Gesundheits-Zustand waren, konnten wir ja schon mit dem bloßen Auge erkennen. Viele litten unter massivem Räude-Befall. Sie kratzten sich blutig vor lauter Juckreiz. Die Buben trugen viele Bissverletzungen davon, welche ihnen ihre rivalisierenden Artgenossen zufügten. Viele Babys waren untergewichtig, wir fütterten die Kleinen lange mit Aufzuchts-Milch und Critical Care zu. Ein Mädchen hatte einen großen, tiefen Abszess und musste sofort operiert werden.
Milbenbefall | immer hungrig.….. | Abszess-OP, die Wunde musste geklammert werden |
Einen Buben, die "Nr. 27" (jetzt Dr. Snuggles) hat es ganz besonders schlimm erwischt. Er wurde am Montag, 11.07.16 sofort in die Tierklink Ismaning gebracht. Sein rechtes Auge war unter Eiter, resultierend aus einem Abszess hinter dem Auge.
Desweiteren hatte er ein tiefe Verletzung am linken Bein, unzählige Bissverletzungen am Rücken und gebrochene Zehen am rechten Fuß. Man musste ihm das Auge entfernen. Er befand sich knapp 2 Wochen in stationärer Behandlung. Das ganze Klinikpersonal hat ihn in's Herz geschlossen, besonders die operierende Tierärztin, Dr. Kany. Sie gab ihm den Namen "Dr. Snuggles". Diesen Namen durfte er natürlich behalten.
Bei den abgegebenen Kotproben bekamen wir aus dem Labor die niederschmetternde Diagnose, dass nicht nur positiv auf Kokzidien, sondern auch auf Spulwürmer getestet wurde. Die zusätzliche Behandlung von so vielen Tieren zerrte an den Nerven der Pflegestellen.
Am 06.08.2016 wurden wir von einer Mitarbeiterin des Deutschen Tierschutzbundes – welche selbst 10 Tiere aus diesem Notfall privat übernommen hatte – gebeten, ein weiteres Tier aufzunehmen. Es handelte sich um ein sehr kleines , fast blindes Meerschweinchen-Mädchen, das in ihrer Gruppe ausgegrenzt wurde. Unser Team-Mitglied Birgit aus Bad Tölz war bereit dieses Mädel zu übernehmen. Sie gab ihr den Namen Mausi.
Sie blieb als Gnadenbrottier. Alle Informationen zu Mausi finden Sie hier: Mausi
Uns allen machte diese Lage große Sorgen, es waren noch so viele Tiere vor Ort. Sie alle müssen dort weg. Wir blieben in Kontakt mit dem Tierheim Rosenheim und hofften, dass wir nochmal vor Ort ein paar Tiere rausholen können.
Aber wie ging es nun weiter in diesem Fall?
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Am 31. August war es dann endlich soweit. Das Veterinäramt gab grünes Licht und forderte das Tierheim auf, weitere Tiere von dem Grundstück abzuholen. 9 weibliche, 7 männliche Meerschweinchen sowie 8 Kaninchen wurden gefangen. Leider blieben aber wieder Tiere vor Ort, die aufgrund des vielen Gerümpels auf dem Grundstück nicht gefangen werden konnten. Die Zitterpartie ging weiter. Das Aufstellen von Lebendfallen wurde genehmigt aber leider führten diese nicht zum Erfolg. Keines der Meerschweinchen ging in die Falle.
Die 9 weiblichen Meerschweinchen sowie die 8 Kaninchen sind zu uns gekommen. Wir hätten auch gerne den 7 Buben Zuflucht gewährt, aber aufgrund der vielen bereits geborenen Babys war unsere Kapazität an Pflegeplätzen absolut ausgeschöpft.
Wie auch schon die Tiere aus dem Juli, hatten diese Mädchen Milben. Was wir aber bisher noch nie hatten, war ein diagnostizierter Vogelbandwurm unter dem diese Tiere litten. Sie wurden also zunächst unter strengster Quarantäne behandelt, was recht langwierig war. Die erneute Kotprobe nach 3 Wochen brachte das erhoffte Negativ-Ergebnis. Die Behandlung war erfolgreich, alle Tiere wohlauf.
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Die 8 Kaninchen befanden sich in einem äußerst besorgnis-erregenden Gesundheitszustand. Extrem unterernährt und total verdreckt. Die Tiere müssen wohl ziemlich tief im eigenen Kot gehockt haben. Sie mussten gebadet, die Pfoten eingeweicht und der Hintern saubergemacht, teils sogar rasiert werden. Die Weibchen hatten Milbenbefall. Der anstehende Tierarzt-Check war niederschmetternd.
Kaninchen-Mädel Betty (Nr 1) hatte eine Entzündung und schwerwiegende Bissverletzungen im Genitalbereicht. Sie war so verstümmelt, dass wir anfänglich nicht wussten, ob es sich um ein weibliches oder männliches Tier handelte. Es plagte sie schwerer Durchfall, die Futteraufnahme war sehr gestört. Sie musste einige Tag auf Station in der Tierarzt-Praxis bleiben.
Zenzi (Nr. 2) ist an Encephalitozoonose Cuniculi mit bleibender Schiefkopfhaltung erkrankt. Es fehlt 1/3 des linken Ohres. Sie konnte nach der Milbenbehandlung bereits kastriert werden und wir sind überglücklich, dass Zenzi trotz ihrer Erkankung und der Tatsache, dass sie Menschen gegenüber sehr misstrauisch ist, schnell ein Zuhause gefunden hat.
Korbinian (Nr. 3) musste eine entzündete Kralle am linken Hinterlauf operativ entfernt werden. Sein Allgemeinzustand war aber recht schnell stabil und er konnte kastriert werden. Rammler Hörgi (Nr. 4) war von allen 8 Kaninchen in gesundheitlich gutem Zustand.
Resi (Nr. 5) hatte einen schlimmen Milbenbefall und musste 3 mal gespritzt werden, bis die Viecher endlich in die Flucht geschlagen waren.
Schorschi (Nr. 6) hatte nur einen ersichtlichen Hoden. Der zweite war in den Bauchraum eingewachsen. Auch er musste erst einmal an Gewicht zulegen und stabil werden um schließlich operiert werden zu können. Er hat den Eingriff gut weggesteckt und hat auch schon ein Zuhause in Bruckmühl bei einem uns bereits bekannten Platz gefunden. Vielen lieben Dank für die Adoption!
Uschi (Nr. 7) war in so erbärmlich schlechtem Zustand dass wir um ihr Leben fürchteten. Resultierend aus massivem Kokziden- und Hefenbefall litt sie an schlimmen Durchfall. Sie war so dünn, dass man den Hals mit 2 Fingern umgreifen konnte. An der Wamme hat sie einen großen Knoten, vermutlich einen Tumor. Das rechte Auge wieß eine enorme Entzündung sowie eine Linsentrübung auf. Im Nacken hatte sie starken Fellverlust. Diagnose: Cheyletiellose (Milbenart). Ihre Blutwerte waren eine Katastrophe und zum Überfluss hat sie einen EC-Titter von 1:1280. Uschi ist unglaublich ängstlich, vor uns Menschen hat sie furchtbare Panik, was die Behandlung – vor allem das zwingend notwendige mehrmals tägliche Päppeln – zu einer Zerreißprobe werden ließ.
Und trotzdem (oder gerade deswegen) hat Uschi als Erste der 8 Kaninchen einen tollen Endplatz bei Monika, einer Tierfreundin, die ebenfalls im Kaninchen- und Meerschweinchenschutz tätig ist, gefunden. Sie hat bereits ein pflegeintensives Kaninchen. Ohne langes Zögern bot sie an, Uschi aufzunehmen und ihr ein Zuhause zu bieten. Die anfallenden OP-Kosten werden dennoch von unserem Verein getragen, wir sind unglaublich dankbar, dass Monika das Tier zu sich genomme hat. Weitere Informationen zu Uschi gibt es hier.
Michi (Nr. 8) war auch ein sehr großes Sorgenkind. Sein Körper war von unzähligen Bissverletzungen gezeichnet, sein Allgemeinzustand furchtbar. Er hatte Wassereinlagerungen im Körper, das angefertigte Blutbild ließ keinen Zweifel an einer dramatischen Blutarmut. Auch er musste enige Zeit stationär in der Tierarztpraxis bleiben, anschließend gepäppelt werden. Michi bekam ben der schulmedizinischen auch eine homöopathische Behandlung. Sein Zustand verbesserte sich nur langsam.
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Am 29. und 30. September konnten schließlich Dank erneutem OK zum Betreten des Grundstücks und durch den beherzten Einsatz der Tierheim-Mitarbeiter die letzten Tiere gerettet werden. Diese Aktion ist nun offiziell beendet. Ein offizielles Haltungsverbot wurde geprüft. Zurück bleibt eine unglaubliche Wut, wie es zu so einem Drama überhaupt kommen konnte und warum in so einem Notfall keine schnelle Hilfe von Seiten der Ämter gewährleistet ist. Bis es zu einer amtlichen Verfügung kommt (wenn überhaupt) und man eine Genehmigung bekommt, das Haus zu betreten, ist es den Behörden wohl offensichtlich lieber, dass alle Tiere verrecken. Dann hat sich das Problem für sie von selbst gelöst.… Das stinkt doch zum Himmel !!!
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Dieser Notfall ging wirklich an unsere Grenzen. Unsere Nerven lagen oftmals blank, viele Sorgen um all diese Tiere plagten uns. Viele Team-Mitglieder opferten für diesen Notfall die letzte noch verbliebene Freizeit (obwohl schon viele gar nicht mehr wissen, was das eigentlich ist) und Kraftreserven. Unzählige Fahrten zum Tierarzt mussten absolviert und die Tiere auf unsere Pflegestellen verteilt werden.
Mitte August zählten wir insgesamt sage und schreibe 91 Meerschweinchen auf unseren Pflegestellen. Bei dieser Anzahl stockte uns kurz selbst der Atem. Dank tatkräftiger Unterstützung von Adoptanten, die sich zusätzlich als Pflegestelle anboten, konnten bzw. können diese vielen Tiere bestens untergebracht und fachmännisch betreut werden.
Ein hohes Maß an Organisation ist erforderlich, um diese vielen Tiere zu "verwalten" – sei es in Form von Datenblättern oder Homepageeinträgen. Unzählige E‑Mails wurden geschrieben, Fragen zu den Tieren beantwortet. Zieht eines aus, welches Tier rutscht als Gesellschaft nach ohne den Tieren zu viel Streß zuzumuten, all dies sind Dinge, die uns tagtäglich herausfordern. Diese Arbeit erfordert ein ganz enges Hand-in-Hand-Arbeiten im Team und den angeschlossenen Pflegestellen sowie oftmals ein hohes Maß an Flexibilität damit alles reibungslos funktioniert.
Wir waren wirklich überwältigt, wie viele Menschen sich an uns gewandt haben. Entweder um Mitgefühl für die armen Tiere zu bekunden oder direkt Hilfe anzubieten. Wir erhielten unzählige Zuschriften und Anrufe aus ganz Deutschland und sogar aus dem angrenzenden Ausland. Es ist schön zu wissen, dass man in so einem Notfall nicht allein gelassen wird.
Wir danken allen fleißigen Helfern, die sofort Gewehr bei Fuß standen. Jede® Tierschutzkollegin(e) welche® vor Ort und mit diesem Fall konfrontiert war, wird die Bilder und das Erlebte so schnell nicht aus dem Kopf bekommen werden
Aber nicht weniger gilt der Dank den vielen lieben Spendern, die das Ausmaß der aus diesem Notfall resuliterenden Tierarztkosten durch finanzielle Mittel z. B. in Form von Kastrationspatenschaften gemildert haben.Auch über Sachspenden in Form von Heu und Einstreu freuten wir uns sehr! Hier gilt unser ganz spezieller Dank der Firma Hornbach, welche uns mit Einstreu unter die Arme griff sowie unseren Adoptanten, die bereits eines oder sogar mehrere Tiere bei sich aufgenommen haben, ein herzliches Vergelt's Gott. Um ein Zitat eines unbekannten Verfassers zu nennen:
Ein einzelnes Tier zu retten, verändert nicht die Welt. Doch die ganze Welt verändert sich für dieses eine Tier.
Lassen Sie uns weiter zusammenhelfen, um die Welt für noch sehr viele Tiere besser zu machen!
In Zahlen:
59 Meerschweinchen und 9 Kaninchen wurden übernommen
46 Babys wurden auf den Pflegestellen geboren
41 männliche Meerschweinchen, sowie 8 Kaninchen wurden kastriert
Angefallene Tierarztkosten bis Ende 2016: 12.046 Euro
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